Vom 18. bis 20. März widmet sich eine Studientagung Rudolf Steiners Jugendwerk ‹Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goethe’schen Weltanschauung›.
Goethe hatte die «feste Überzeugung, dass unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur; es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit» (Eckermann, 2. Mai 1824). Jenes fortwirkende und unzerstörbare Wesen des Geistes zeigt sich uns im erkennend-denkenden und im künstlerisch-hervorbringenden Schaffen. In beidem ist der Mensch aus sich selbst heraus in Freiheit tätig; er wird vom Geschöpf zum Schöpfer «ewig-tätiger Vorstellungen». Diese Tatsache entwickelt und begründet Rudolf Steiner 1886 in den ‹Grundlinien› aus Goethes Weltanschauung heraus in der Auseinandersetzung mit denjenigen philosophischen Erkenntnistheorien, die die Grenzen zwischen Ich und Welt absolut setzen. Schritt für Schritt wird in diesem Text herausgearbeitet, inwiefern das Denken selbst in der «Weltwirklichkeit» lebt und der Mensch im Denken das Wesen der Dinge zur Erscheinung bringt. Wahrhaftes Denken ist Erkenntniserleben und erfasst die Sinneswelt als Offenbarung des Geistigen.
Rudolf Steiner hat 1924 in seinem zweiten Vorwort zu den ‹Grundlinien› hervorgehoben, dass diese unverändert erscheinen würden, da einerseits die Notwendigkeit hierfür in gleicher Weise bestünde wie 1886 und andererseits nirgends sonst so «treulich die Keime» der geistgemäßen Weltbetrachtung enthalten seien wie in dieser erkenntnistheoretischen Grundlegung. Beide Aussagen sind für uns heute entscheidend. Wir müssen 100 Jahre später wiederum formulieren, dass die wissenschaftlichen Wege aus der Sinneswelt in die geistige Welt kaum gesucht und noch weniger begangen werden. Dass Rudolf Steiner mit den ‹Grundlinien› einen Keim gelegt hat, ist als eine direkte Arbeitsanweisung zu verstehen. Im Keim ist alles Vergangene und Zukünftige eingeschlossen. Wir können im Sinne Goethes aus unseren Wissenschaften heraus diesen Keim entwickeln. Auf der Tagung wollen wir dies mit verschiedenen Disziplinen versuchen – Philosophie, Medizin, Natur- und Geisteswissenschaften und Kunst – und zusammen am Text selbst arbeiten.
Zeichnung Christian Hitsch