An einem späten Herbsttag, als ich mich recht abgeschnitten fühlte, kam ich ins Gespräch mit einer Bekannten. Sie, ein Mensch, der fein Stimmungen wahrnehmen kann, fragte mich interessiert, was bei mir los sei. Ich vertraute ihr an, dass ich mich in dieser Zeit völlig allein fühlte.
Sie fragte einfach: «Und wie fühlt sich dieses Alleinsein an?» Ich schluckte, da stieg ein Bild hoch: «So, als ob ich in einer Blase sitzen würde, nichts kommt an mich heran und ich komme an nichts heran. Als wäre ich stumm und für die Welt eigentlich taub.» Es verging ein Moment im Schweigen – eine besänftigende, aber eindringliche Pause. So klar waren mir eigene Gefühle doch nicht gewesen; sie konnten sich erst in der Zuwendung aussprechen. Und ich fühlte mich matt und trotzdem dankbar und offen, dass meine Bekannte mich mit ihrem Zuhören und ihren ehrlichen Fragen eine Schicht tiefer gebracht hatte. Etwas kam innerlich dadurch in Fluss. Ich spürte im Seelenwirrwarr einen leisen Umschwung, aus der Starre heraus. Meine Bekannte wagte einen Vorschlag: «Hast du Lust, etwas auszuprobieren?» Ich nickte, doch ihre Frage überraschte mich dennoch. «Wenn alles auf der Welt möglich wäre, was würdest du dir wünschen?» Ich hatte keine Ahnung, alle möglichen Antworten gingen innerlich schnell durcheinander, keine schien Gewicht zu haben. Ich schüttelte den Kopf: «Darauf habe ich momentan keine Antwort.» «Ich kann auch anders fragen: Hast du ein Bild vom Paradies? Wie würde das für dich aussehen? – Ein Bild, das du innerlich entgegensetzen kannst?» Das Gespräch war so überraschend gekommen wie seine Wendungen. Über das Paradies habe ich wirklich niemals nachgedacht. Aber diesem Bild nachzuspüren, war leicht. Ich ließ geistig abwesend den Blick schweifen, hörte noch, wie sie erzählte von ihrem Bild vom Meer und Sonnenuntergang. Und dann wusste ich, dass mir kein solches Bild kommen würde: «Das Paradies, das sind die Menschen, die ich liebe. Da, wo ich sie treffe, ist das Paradies – egal wie es aussieht.» Ich versuchte, mir ein Bild zu machen, das diesen perfekten ‹Ort› für mich enthalten könnte – der Ort, an dem alle diese Menschen und ich zusammen sein würden. Mit geschlossenen Augen erschien mir etwas, heller als der Tag, ein neutraler Nicht-Ort – anders könnte ich es nicht nennen –, in dem Lichter glühten. Die recht formlosen Flammenleiber waren überall. Sie waren so präsent, dass ihre Gegenwart mich ganz ausfüllte. Sie waren alle da. Und mitten im Spätherbst war plötzlich Weihnachten und Ostern und Pfingsten auf einmal.
Grafik: Fabian Roschka