Im vertikalen Bau des menschlichen Leibes kommt eine tiefe Beziehung zur Erde zum Ausdruck. Diese ist durch die Schwere, die alles, was ihr unterliegt, zu ihrem Mittelpunkt hin konzentriert und verdichtet, ein in sich zentierter kosmischer Körper.
Die zum Zentrum der Erde hin verdichtende Kraft der Schwere durchwirkt auch den menschlichen Leib, sie wird aber in der aufrechten Haltung vollständig überwunden. Der Leib ist von innerer Kraft durchwirkt. Diese ist in der Gegenrichtung der Schwere unentwegt tätig. Indem sich der Mensch beim Stehen fortwährend durch feine Ausgleichsbewegungen zwischen links und rechts, vorn und hinten im Gleichgewicht hält, erlebt er sich durch diese Kraft als ein Wesen, das in sich zentriert ist. So ist der Mensch, wenn er steht, in doppeltem Sinne aktiv. Er überwindet in seinem Leib ganz die Schwere aus sich selbst. Und zugleich zentriert er sich unentwegt in sich. Er ist durch seine Haltung als Wesen selbst-ständig.
Aus: Ernst-Michael Kranich, Der innere Mensch und sein Leib. Eine Anthropologie. Stuttgart 2003.
Grafik: Sofia Lismont
