Um sich in der digitalisierten Welt zurechtzufinden, müssen neue Wege in der Selbsterziehung und Pädagogik gefunden werden.
Das digitale Zeitalter stellt uns vor existenzielle Fragen des Menschseins und Menschwerdens. Hierzu gehört, wie eine gesunde Entwicklung der Sinne in einer digitalisierten Welt zu erreichen ist, und auch die Fragen, wie das Ich durch die Sinne erwacht und wie die Sinneserfahrung zum Icherlebnis wird bzw. wie das Ich gleichzeitig zum Weltbewusstsein und Selbstbewusstsein kommt.
Aus verschiedenen Forschungen der letzten Jahrzehnte ist deutlich geworden, dass eine gesunde und differenzierte Entwicklung des Hörsinns und des Sprachsinns immer mehr durch die Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen stark beeinträchtigt worden ist. Es ist zu erwarten, dass diese Tendenz sich zunehmend fortsetzt. Da diese beiden Sinne u. a. auch einen wesentlichen weiteren Zugang des Gedankensinns und des Ichsinns zur Welt bilden, kann man von einer Gefährdung der oberen, und damit auch der menscheneigenen Sinne sprechen.
Gleichzeitig sind weitreichende ‹sprachliche› und ‹denkerische› Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz entstanden, wie z. B. Google Translator. In Anbetracht des Fortschreitens des Prozesses von Sinnesverlust und den parallel laufenden technologischen Fortschritten der künstlichen Intelligenz wird deutlich, dass wir letztendlich existenzielle Fragen der Menschwerdung berühren. Aus diesem Grund sind diese Fragen auch aktuelle pädagogische Fragen, zu denen die Lehrausbildung aufgefordert ist, kreative und zukunftsträchtige Antworten zu geben. In der Pädagogik geht es entsprechend auch darum, Brücken zu anderen Forschungsfeldern, z. B. zu Embodiment und Performativität, zu schlagen. Auch der Resonanzansatz des Soziologen Hartmut Rosa gehört hierzu. Dabei scheint mir wichtig, die Sinneslehre Rudolf Steiners, wie sie in ‹Anthroposophie. Ein Fragment› und auch später dargestellt wird, mit dem Praxisfeld der Pädagogik zu verbinden und fruchtbar zu machen.