Vor tausend Jahren wurde in China die Papierwährung erfunden. Ist jetzt die chinesische Regierung die erste, die sie wieder abschafft? Nirgends in der Welt sind Pläne zu einer staatlich anerkannten digitalen Währung so weit gediehen wie in China. Das Besondere: Der digitale Yuan soll mit einem Verfallsdatum versehen werden.
Geld ist bereits weitgehend virtuell, da Kreditkarten und diverse Zahlungs-Apps Bargeld überflüssig machen und schon diverse Kryptowährungen wie Bitcoin außerhalb des traditionellen globalen Finanzsystems existieren, allerdings ohne den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels. Jetzt geht China einen Schritt weiter und verwandelt das gesetzliche Zahlungsmittel selbst in einen Computercode. Laut einer Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) beschäftigten sich schon Ende 2018 rund 70 Prozent der teilnehmenden Zentralbanken weltweit mit der Einführung einer digitalen Währung: Die Europäische Zentralbank plant die Einführung eines digitalen Euro und die US-amerikanische die eines digitalen Dollar. Nun gab das chinesische Handelsministerium kürzlich die Details eines Pilotprogramms für die Ausweitung der digitalen Währung der Zentralbank (CBDC) in der sogenannten ‹Shenzhen-Fallstudie› bekannt. In dieser Region wurde im Oktober 2020 als erstes ‹Land› ein Testlauf mit einer digitalen Währung durchgeführt. Mittels einer Lotterie wurden Gelder im Wert von 10 Millionen Yuan (1,3 Mill. Euro) verschenkt. Die 50 000 Gewinner mussten eine digitale Renminbi-App auf ihr Handy herunterladen, um den Wert von 200 digitalen Yuan (ca. 25 Euro) zu erhalten, mit dem sie bei über 3000 ausgewiesenen Einzelhändlern Waren in örtlichen Apotheken und Supermärkten einkaufen konnten.
Die Gründe, welche die Volksbank von China (PBoC), die chinesische Zentralbank, dazu geführt haben, eine eigene digitale Währung zu entwickeln, die als Digital Currency Electronic Payment (DCEP) bekannt ist, sind vielfältig. Es gab innere und äußere Gründe.
Nach innen soll verhindert werden, dass Händler ihre eigene digitale Währung entwickeln, wie z. B. Alibaba mit ‹Alipay›, Tencent mit ‹WeChat› oder Facebook mit der ‹Libra›. In China ist die Entwicklung solcher digitalen Währungen schon sehr weit fortgeschritten. Auch spielen die enormen Möglichkeiten zur Überwachung des Volkes eine nicht unbedeutende Rolle. Keine Transaktion ist mehr möglich, ohne dass der Staat Einblick erhält, denn der digitale Yuan ist überall nachverfolgbar und fügt so Chinas schon bestehender staatlicher Überwachung ein weiteres Instrument hinzu. Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Schwarzgeld wären so leichter zu bekämpfen. Sollte China erfolgreich sein, könnte es andere Staaten zur Nachahmung ermuntern, denn alle kämpfen mit den gleichen Grundproblemen, ist doch Steuerhinterziehung und Bestechung weiterhin weit verbreitet.
Geldalterung
Eine weitere Besonderheit: Das digitale Geld ist programmierbar und kann mit einem Verfallsdatum versehen werden. Damit wird eine Empfehlung umgesetzt, die Rudolf Steiner aus einer tieferen Einsicht in die Geldprozesse in seinem ‹Nationalökonomischen Kurs› erläutert: Das Geld sollte man mit einem Verfallsdatum versehen und ‹altern› lassen. (Rudolf Steiner nennt Altwerden das Seinem-Sterben- immer-näher-Kommen.) Dass Geld an Wert abnehmen soll, wurde schon zu Steiners Zeiten von vielen als eine Zumutung empfunden, wie die Reaktion der Zuhörenden während eines Vortrages deutlich macht.1 Die Idee, Geld altern zu lassen, das heißt, ihm ein Verfallsdatum zu geben, ist natürlich auch heute in weiten Kreisen unbeliebt, obwohl die Inflation gerade das tut, wenn auch unkontrolliert. Das alternde Geld hat zum Ziel, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu sichern, denn das Horten von Geld birgt Probleme, wie schon einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, John Manyard Keynes, voraussah und eine ganze Reihe moderner Ökonomen festgestellt haben. Die ökonomische Krisenhaftigkeit unseres Geldsystems ist auf dieses Problem zurückzuführen.
Sollte es wie geplant gelingen, das digitale Geld mit einem Verfallsdatum zu versehen, würde es das chinesische Finanzsystem auf eine ganz andere Basis stellen.
Sollte es wie geplant gelingen, das digitale Geld mit einem Verfallsdatum zu versehen, würde es das chinesische Finanzsystem auf eine ganz andere – wir müssen sagen, eine langfristig gesündere – Basis stellen. Zusammen mit der Tatsache, dass in China gemäß Artikel 10 der Verfassung der Volksrepublik Grund und Boden weder gekauft noch verkauft werden darf – also nicht dem freien Markt überlassen wird –, haben wir in China zwei Maßnahmen, die im Sinne der Dreigliederung wirken. Grund und Boden ist keine Ware, die dem Gesetz des freien Marktes überlassen werden sollte, so wie vom Menschen hergestellte Produkte. Es wird sich zeigen, dass die chinesische Wirtschaft an diesem Punkt einen Standortvorteil hat.
Globale Geldflüsse
Nach außen – auf der geopolitischen Ebene – ist die geplante digitale Währung ein Teil eines ehrgeizigen Plans zur Stärkung der internationalen Position des Yuan/Renminbi, möglicherweise insbesondere auf Kosten des Euro. Die Entwicklung könnte dazu führen, dass sich der digitale Yuan einmal zu einer glaubwürdigen Alternative zum Dollar entwickelt, was dem Euro nicht wirklich gelungen ist. Entscheidend wird sein, dass sich in Zukunft für die Händler die Notwendigkeit verringert, wie bisher die US-Währung zu horten, was wiederum tiefgreifende Auswirkungen auf das globale Sparverhalten hat und damit die globalen Kapitalflüsse verändern wird. Die für die Geldtransfers zwischen Geschäftsbanken zuständigen Verrechnungsstellen müssten mit dem digitalen Yuan nicht mehr auf das Zahlungsnetzwerk Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) zurückgreifen, das von der US-Regierung überwacht werden kann. Stellen die USA einmal nicht mehr die Leitwährung der Welt, könnten sie sich in Zukunft nicht mehr wie bisher ein solch enormes Leistungsbilanzdefizit leisten.
Der digitale Yuan könnte damit die Macht des Hegemons USA brechen, mithilfe von Sanktionen andere Länder zu bestrafen, die sich seinem Willen nicht fügen wollen, wie zum Beispiel Iran, Kuba oder Venezuela. Sollte der digitale Yuan, so wie von der chinesischen Zentralbank geplant, bis zu den Olympischen Winterspielen in Peking im Jahr 2022 flächendeckend einsatzbereit sein, würde das die Machtverschiebung hin zu einer multipolaren Welt, die ja jetzt schon stattfindet, noch weiter festigen.
Bild: Wikimedia Foundation Servers Foto: Victorgrigas, CC BY-SA 3.0
Die Kassenhaltung einer wirtschaftenden Einheit kann nicht als solide angesehen werden, wenn nicht auch eine angemessene Menge von Rücklagen für vorhersehbare und unvorhersehbare Ereignisse vorgehalten wird. Dieses Geld hat dann die Geschwindigkeit Null und muss so schnell es geht in den Umlauf?
Ein Landwirt hat die Ernte eingefahren und verkauft. Das Geld muss bis zur nächsten Ernte reichen. Wer ist berechtigt, den Wert „altern“ zu lassen, um einen abstrakten Wert zu „sichern“? Wer wird dadurch gefährdet?
Nicht jede vernünftige Kassenhaltung kann mit Horten gleichgesetzt werden. Eine pauschale Belegung der Zahlungsmittel mit einer Demurrage träfe zuviele Unschuldige.
Leider feiert der Begriff in der Szene der Entwickler, die sich mühen, „Währungen“ zu entwerfen, die der Gesellschaft dienen sollen, immer noch fröhliche Urstände.
Ein Verfallsdatum, wie etwa bei den Payback-Punkten kann jedoch sinnvoll sein. Die Punkte werden bei einem Einkauf vergeben und berechtigen zu weitem Einkauf, bei dem sie die Zahlungsmittel ersetzen. Sie sind kein Zahlungsmittel, weil sie durch den Gebrauch – die Inanspruchnahme des Rechts – verbraucht werden. Wie eine Kinokarte ist ihre Geltung mit dem Abspann des Films auch abgelaufen. Kinokarten zu horten macht wenig Sinn, weil sie für eine bestimmte Vorstellung verkauft werden. Niemand beklagt, dass dieses System ungerecht sei. Würde man durch höhere Gewalt am Besuch der Vorstellung gehindert, könnte man auf eine Ersatzkarte hoffen.
Ich bin zu der Ansicht gekommen, dass eine Gesellschaft mindestens zwei Typen Geldes braucht. Der eine ist das bekannte Soll/Haben-Geld, das „irgendwoher kommen muss“, um etwas zu finanzieren. Ein Geld, das aus einer Doppelschuld (Kreditvertrag) entsteht und das als Zahlungsmittel weiter dient, wenn ich es genutzt -also weggegeben- habe (In Talern gedacht).
Ein fundamental anderes Geld ist das Teilungsgeld, die Dividende. Wenn an einem Essenstisch die zubereitete Suppe ausgeteilt wird, kommt sie vom Topf auf den Teller. Die Menschen am Tisch können sagen: „Danke, das reicht.“ oder „Bitte noch einen Löffel“. Danach gibt es kein Umlöffeln von Teller zu Teller (Soll/Haben), höchstens einen Nachschlag, wenn noch etwas da ist. Der Platz am Tisch verbrieft das Recht zur Teilhabe, man kennt sich. Die Teller haben dieselbe Grösse. Wenn die Tafel aufgehoben ist, ist das Recht für den Tag erloschen.
Das Haus-Wirtschaften ist die Kunst zu wissen, wer am Tisch sitzen wird, wie gross der Hunger sein wird und was gemocht wird. Für unerwartete Gäste soll es auch reichen, was zuviel ist, schmeckt (nach Witwe Bolte) auch aufgewärmt. Wenn dieses heimelige Modell hochskaliert wird in eine anonyme, große Gesellschaft, wäre der Geldtyp als Recht zur Teilhabe mit Verfallsdatum ein Beitrag zur Diversität und damit zur Resilienz des Geldwesens. Man könnte mit ihm die Versorgung der Bürger mit dem, was alle immer wieder brauchen, organisieren.
Die Monokultur unseres Geldwesens wird nicht aufgehoben durch denselben Typ Geldes in immer neuen Verkleidungen mit schicken Präfixen „Krypto…“. Wir sitzen an einem Tisch mit unterschiedlich grossen Tellern und werden von Konventionen „bedient“, die systematisch zu einer mittlerweile obszönen Fehlverteilung führen. Es braucht mehr, als einen (absurden) Negativzins oder ein Verfallsdatum, um umzusetzen, was Rudolf Steiner angeregt hat:
Die Arbeitsteilung nicht allein zur Steigerung des materiellen Wohlstand zu nutzen, sondern solche Einrichtungen zu schaffen, die zum Heil einer Gesamtheit von zusammenarbeitenden Menschen führen, ganz im Sinne von Elinor Ostrom, die in ihrer Rede zur Verleihung des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften resümierte: „Umfangreiche empirische Untersuchungen veranlassen mich zu der These, dass […] ein Kernziel der öffentlichen Politik darin bestehen sollte, die Entwicklung von Institutionen zu fördern, die das Beste im Menschen hervorbringen.“