Johannes Kronenberg (Jugendsektion) sprach mit Petra Derkzen, Jean-Michel Florin, Ioana Viscrianu und Anet Spengler über den Wandlungswillen der Jugend und den Gestaltungswillen der Landwirte und Landwirtinnen in der Klimakrise.
Klimakrise ist ein Sammelbegriff, der nicht nur die Atmosphäre betrifft, sondern auch die sozialen und kulturellen Felder. Bereits vor 50 Jahren sind Berechnungen zum Umweltschutz und Gefahrenwarnungen gemacht worden. Schon in den 80er-Jahren, erzählen Petra Derkzen und Anet Spengler, haben Jugendliche, wie auch sie selbst, die konventionelle Landwirtschaft und die Massentierhaltung als Schmerz erlebt, weil alles nur von der Wirtschaftlichkeit her angeschaut wird. Aber man sprach wenig darüber. Die Bauern fühlten sich angegriffen, wenn man von ihnen eine Haltungsänderung forderte. Gleichzeitig sind die Menschen in die Städte gezogen. In ihrem Heimatland Rumänien, erzählt Iona Viscrianu, galten Bauern als jene, die es nicht geschafft hatten. Als in den 70er Jahren das Bewusstsein auftauchte, dass man die Natur schützen müsse, stand die moderne Menschheit bereits mit einem Fuß im Glauben an ein Wirtschaftswachstum, das mehr auf Quantität denn auf Qualität setzte. Man fragte nicht mehr, ob etwas gut sei, sondern ob es mehr werden könne. Der Beziehungsverlust zur Natur sei aber auch als Befreiung von der Natur zu verstehen, verdeutlicht Jean-Michel Florin. Sie führe dazu, dass wir heute selbst entscheiden müssen, was wir mit der Freiheit anfangen wollen. Er als biodynamischer Landwirt hat sich entschieden, das Verhältnis zwischen den Bereichen Erde, Pflanze, Tier und Mensch zu verbessern, was auch heißt, ein ‹Klima› zu schaffen, das gesund ist, das Freude macht.
Wir müssen lernen, zwischen die Dinge zu sehen, ein atmosphärisches Bewusstsein zu entwickeln.
Klima fühlen
Wenn ein Pferd in Jean-Michels Dorf seine Äpfel auf die Straße fallen lässt, regen sich Leute über den Geruch auf. Sie merken aber nicht mehr, dass die Autos stinken. Zu sehen, was um mich ist, ist der Beginn des Klimas, meint er. Insofern ist die Frage nach dem Atmen in der Klimakrise auch eine Frage an unsere Fähigkeit, mit unserem Fühlen wieder an die Welt anzuschließen. Um aus der Wirklichkeit heraus zu arbeiten, brauche es eine humanisierte Wissenschaft, meint Ioana, sodass man die Forschungsgegenstände, mit denen man zu tun hat, kennt und auch liebt. Der Herzbereich muss mit einbezogen werden in unser Denken.
Jeder Mensch ist ein Bauer
Die kleinen Bewegungen haben sehr wohl eine Macht, beschreibt Anet Spengler an der Entstehung der solidarischen Landwirtschaft. Das ist ‹people power›. In Indien protestieren Bauern gegen die schlechten Wirtschaftsbedingungen. Die dortige Biodynamische Assoziation unterstützt das, indem sie den Protesten andere Dimensionen hinzustellt, wie das Soziale, den Umweltschutz. Junge Menschen kehren dort aufs Land zurück, weil die Städte sie nicht mehr ernähren. Durch die Biodynamik kriegen sie wieder ein Verhältnis zur Spiritualität.
«Wir müssen aus unserer Komfortzone austreten und uns engagieren, handeln und dann sehen, wie es funktioniert hat. Ich kann als Bauer nicht so viel theoretisch ausdenken und dann erst umsetzen, ich muss interagieren mit der Wirklichkeit und den sich ständig wandelnden Umständen», sagt Jean-Michel. Der Konsument ist auch mit dem Bauern verbunden. Die Jugend hat Bewusstsein für die Fragen: Wen unterstützen wir mit dem Kauf von Produkten? «Wenn Essen eine landwirtschaftliche Tätigkeit ist, muss ich wissen, woher mein Essen kommt. Wenn ich ‹Konsumentin› bin, bin ich schon in der wirtschaftlichen Denkweise. Wenn aber da mein Bauer ist, der mein Essen produziert, handle ich anders und verantwortungsvoller mit und für ihn, als ich es bisher als Konsumentin getan habe», sagt Petra Derkzen.
Praktische Zukunft
Johannes Kronenberg berichtet von einem jungen Landwirt, der das Problem sehe, dass die älteren Bauern ihre Höfe nicht übergeben wollen an jüngere Menschen. Wie können wir zusammen lernen? Wie können die jungen Menschen Fähigkeiten entwickeln, die Atmosphäre zu schauen? «Wir lernen, dass wir uns auf die Dinge fokussieren sollen. Aber wir müssen lernen, zwischen die Dinge zu sehen: zwischen die Menschen, zwischen die Tiere und Pflanzen, zwischen Himmel und Erde, ein atmosphärisches Bewusstsein entwickeln», sagt Jean-Michel.