Die Corona-Zeit wurde für viele zur Gelegenheit, über die Kultur nachzudenken – eben weil sie oft so gefehlt hat. In einem Gastbeitrag in der ‹bz – Zeitung für die Region Basel› plädiert Hans-Georg Hofmann, Künstlerischer Direktor des Sinfonieorchesters Basel, für eine Kunst, die mit dem Unberechenbaren und der Präsenz des Publikums spielt. Dabei erinnert er an die besondere konzertante Aufführung von Wagners ‹Parsifal› am Karfreitag 2018 im Goetheanum.
«Ich bin – das sei vorausgeschickt – weder Wagnerianer noch anthroposophisch sozialisiert. Aber wenn die Musik wirklich eine spirituelle Wirkung auf unser Seelenleben hat, dann traf das für mich wohl an diesem Tag unerwartet zu», erzählt Hofmann einleitend und beschreibt dann die Stimmung im Konzert: «Die volle Konzentration auf die Musik, ohne Inszenierung, Bühnenbild und Kostüm, löste nicht nur bei mir starke Emotionen aus: Zum Raum wurde hier die Zeit. Doch das eigentliche Wunder offenbarte sich am Ende, nachdem der Gral – zumindest musikalisch – bereits enthüllt war. Das Publikum hatte nach einer anhaltenden Stille heftig applaudiert und verließ den Saal. Vor dem Goetheanum erwartete uns alle ein einmaliges Naturschauspiel: Der Himmel riss auf und ein doppelter Regenbogen umschloss das Goetheanum. Einige fotografierten, andere lagen sich in den Armen. Neben mir rief eine Frau: ‹Das ist er, der Karfreitagszauber!›»
Mit dieser besonderen Erfahrung erinnert Hans-Georg Hofmann daran, dass ein Konzert nicht bloß ein losgelöstes Musikstück ist, sondern eine Musikerfahrung, die auch in einer Begegnung stattfindet. «Ohne den Funkenflug und Blickkontakt zwischen Podium und Parkett, ohne das Spannungsverhältnis zwischen Konzentration und Applaus lässt uns jedes gestreamte Konzert ‹unberührt›.» Was in jedem Konzert dann an Unerwartetem passiert, bleibt aber wie ein Geschenk. «Konzerte mit einem doppelten Regenbogen bleiben unerreichbar, man kann sie nicht planen.»
bz – Zeitung für die Region Basel: Hans-Georg Hofmann, ‹Wann wird’s mal wieder richtig Konzert?›, 24.2.2021
Titelbild: Hristo Kazakov auf dem Goetheanum Bühne. Foto: Marcel Sorge