Mitarbeitende des Ita-Wegman-Instituts und Peter Selg hatten schon 2017 begonnen, Dokumentationen zur Rehabilitation Ita Wegmans zu erstellen.
Der erste Band erschien 2018 mit besonderer Sicht auf die Verbindung Rudolf Steiners und Ita Wegmans, mit Faksimiles von Steiners Briefen und Meditationen für Ita Wegman aus seiner letzten Lebenszeit. Der zweite Band von 2019 macht mit einer erstaunlichen Präzision und Detailliertheit die Intentionen, Haltungen, Überlegungen und Planungen Ita Wegmans nach dem Tod Steiners der Öffentlichkeit zugänglich.
Was als historische Aufarbeitung angekündigt wird, ist zugleich ein Dokument über einen individuellen Umgang mit schwersten persönlichen Angriffen, Verleumdungen und Verschwörungen in einer Zeit abgründigster Weltgeschehnisse. Peter Selg schildert anhand der Zeitdokumente, wie nach dem Tod Steiners der esoterische Vorstand der Gesellschaft uneins darüber war, wie es weitergehen konnte. Gleichzeitig zeigt Selg auf, wie wichtig es Ita Wegman in diesem Moment war, die anthroposophische Arbeit fortzuführen. Ganz selbstverständlich waren ihr die Impulsierungen der Gesellschaft, zum Beispiel durch Beiträge im Nachrichtenblatt.
Selbstverständlich war ihr auch, dass mit der Michaelschule eine Zeitaufgabe bestehe, an der weitergearbeitet werden müsse. In deren Leitung hatte Rudolf Steiner sie vor seinem Tod einbezogen. Es ist tragisch, zu lesen, wie auch dieser Bereich in die Vorstandsauseinandersetzungen eingeht und erst im Auseinandergehen sich wieder in neuen Formen finden kann.
Spätestens seit der Aufarbeitung durch Emanuel Zeylmans sind die sozialen Spannungen bekannt, die sich nach dem Tod Rudolf Steiners immer mehr auf Ita Wegman fokussierten. Ihr Weg führte vom direkten Klärungsversuch über Vermittlungsanfragen zur Klarstellung ihrer Position und schließlich – als eine gemeinsame Tätigkeit nicht mehr möglich schien – zur Klarstellung ihres Weges, den sie weitergehen würde. In Zeiten starker Angriffe gegen sie und deutlicher Spaltung der Gesellschaft schuf sie in ihrer Haltung einen Gesamtzusammenhang, indem sie alle Aktivitäten in der Anthroposophie und der Anthroposophischen Medizin – auch von explizit gegnerischen Gruppen – mit großem Wohlwollen betrachtete und sich darüber freute, dass weitergearbeitet wurde. Das Goetheanum und die Medizinische Sektion waren für sie geistige Realitäten und Aufgaben, die sich an allen Orten der Welt verwirklichen können. Mit einem globalen Bewusstsein suchte sie alle Möglichkeiten, an ihren Verwirklichungen mitzuschaffen. In größter Klarsicht demaskierte sie sehr früh die Aktivitäten der Nationalsozialisten in Deutschland und verurteilte alle Versuche der Anthroposophen und anthroposophischen Ärzte, sich in Kooperation mit dem Nazi-Regime zu begeben oder die Gunst dieses Regimes zu erheischen.
Das Buch sei all denen empfohlen, die mehr über die besondere Situation Ita Wegmans in dieser Zeit erfahren möchten, aber auch allen, die einen menschengemäßen Umgang mit stärksten Konflikten an diesem besonderen Beispiel kennenlernen wollen.
Buch Peter Selg, Die Intentionen Ita Wegmans 1925–1943. Zur Rehabilitierung Ita Wegmans. Band 2. Verlag des Ita- Wegman-Instituts, Arlesheim 2019
Grafik: Fabian Roschka