Gabriele Goehlens Gedichte wirken manchmal wie feine Skizzen oder bewusst kolorierte Worträume. Dies erstaunt nicht, ist die in Koblenz wohnhafte Lyrikerin doch zudem studierte Malerin und Kunstpädagogin. Als Malerin hat sie sich für die Altarbildmalerei in Christengemeinschaftskirchen hervorgetan, wo sie ebenfalls ihr Schaffen in den Dialog mit dem gesprochenen, kultischen Wort stellt.
Viele Ihrer Gedichte erlebe ich wie eine Suche nach Lichtqualitäten, die aufrichten und nähren. Was motiviert Sie zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit als Malerin, in der das Licht ein essenzielles Mittel darstellt, zu dichten?
Gabriele Goehlen: Es ist das Erlebnis des Innehaltens, des Gewahrwerdens, die offenen Momente, die eine Ebene der Resonanz mit allen Dingen aufscheinen lassen. Übergeordnet ist es die Liebe zum Wort, ihm einen Raum zu geben, in dem es nicht nur als Mittel zur Information und Kommunikation benutzt wird. Für das Licht als schaffende Kraft kann ich im Malen und Zeichnen durch Übungen oder verschiedene Techniken ein erstes Erlebnis bekommen. Beim Gedicht wird ja oftmals etwas recht Flüchtiges eingefangen. Und als Künstlerin versuche ich dieses ‹Material› dann möglichst durch-sichtig, durch-tönend sein zu lassen.
Wie weit wirkt Ihre Auseinandersetzung mit der Anthroposophie in Ihre lyrische Arbeit hinein? Was inspiriert Sie?
Meine Denkbewegungen mit der Anthroposophie und auch ihre Inhalte tauchen nie direkt auf. Wohl aber können eine Haltung, ein Gestimmtsein, Ruhe und Offenheit eintreten, die sich auch gebildet haben im meditativen Umgang mit Wort und Gedanken. Mich inspiriert häufig, immer wieder neu, die Natur, ihr offenes Sich-Zeigen, ihr Kommen in Blatt und Blüte, ihr Gehen.
Welche Visionen sehen Sie in der heutigen Zeit für die Dichtkunst?
… dass auch in der heutigen Zeit Menschen – ob schreibend oder sprechend – die Sphäre des Wortes pflegen; dass sie diesem geistige Mittel, Räume und Gehör verschaffen können, in welchen Formen und Formaten auch immer.