Der Äther aus naturwissenschaft­licher Sicht

Wenn wir uns von den Elementen dem Ätherischen zuwenden, dann ist es wichtig, zu wissen, dass der Äther bis vor 100 Jahren ein Konzept der Naturwissenschaft war.


Schon Aristoteles hat den vier klassischen Elementen den Äther hinzugesellt. Äther ist das Element, das alle Elemente durchdringt und verbindet. Ein fünftes Seiendes, das als vermittelndes Medium den Kosmos durchströmt. Anfangs stellte man sich ein träges, elastisches Medium vor, wodurch die Planeten mit ein wenig Druck hier und da einander beeinflussen könnten. Im 17. Jahrhundert wurden daraus elektrodynamische Wechselwirkungen und Feldkräfte. Vor 100 Jahren sprach Albert Einstein dann in einem Vortrag darüber, dass man diesem Medium der Fernwirkungen keine ponderablen Eigenschaften mehr zuordnen könne. Es könne weder Bewegungszustände noch mechanische Zustände haben. Die Physik hat einen ponderablen Äther abgeschafft. Wenn man diesen Vortrag von Einstein aber zu Ende liest, dann führt er gleichzeitig eine Art imponderablen Äther ein. Es finden sich deutliche Aussagen, dass der Kosmos mit seinen Licht- und Fernwirkungen ohne einen imponderablen Äther nicht zu denken sei. Einstein begründet eine neue Ätherlehre, die ein neues Raumzeitverständnis verlangt und nicht mehr mit rein materiellen, sondern mit höheren Qualitäten verbunden ist. Welche Qualitäten könnten hier gemeint sein?

Foto: Xue Li

Beginnen wir bei Isaac Newton, der im 18. Jahrhundert den Regenbogen entmystifiziert. Ein Sonnenlichtstrahl, von einem Prisma gebrochen, wirft ein Farbspektrum an die Wand. Bis dahin galt der Regenbogen als göttliches Symbol des Friedens und der Zuversicht. Jetzt, in einem naturwissenschaftlichen Experiment, wird es möglich, den Farbregenbogen zu erzeugen und dessen Gesetze zu studieren. Der Astronom Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt die Wärmequalität dieses Farbspektrums. Beim Betrachten der Sonne durch ein Teleskop versucht er die grelle Blendung mit Farblichtgläsern zu dämpfen. Dabei spürt er bei einem roten Farblichtglas Wärme auf seiner Haut, bei einem blauen nicht. Mit dem Thermometer im Farbspektrum zeigt sich dann tatsächlich, dass die Temperatur vom Gelb, Orange hin zum Rot zunimmt. Geht man dann an der Spektrumsgrenze in den unsichtbaren Bereich hinaus, steigt die Wärme weiter an. Herrschel entdeckt, was wir heute als Infrarot bezeichnen. Ein Jahr später beginnt Johann Wilhelm Ritter, ein mit Hornsilber bestrichenes Papier im Farbspektrum zu erforschen. Nun beginnt umgekehrt vom Hellblau, Indigo zum Violett das Silberchlorid zu oxidieren. Es wird schwarz. In dem nicht sichtbaren Bereich nimmt diese Schwärzung weiterhin zu. Ritter bezeichnet dieses Phänomen als chemische Strahlung; das, was wir heute als Ultraviolett kennen. Das Sonnenlicht hat also in einer ersten Annäherung drei unterscheidbare Wirkqualitäten: Wärme, Licht und Chemismus. Medizinische Untersuchungen an Zellen, z. B. bei der Erforschung von Augen- oder Hauterkrankungen, aber auch Stoffwechselfunktionen wie der Vitamin-D- oder Gallestoffwechsel zeigen, wie die chemische Strahlung eine ordnende, formende bis abbauende Wirkung hat, während die kalorische Strahlung auf der anderen Seite eine wärmende, stoffwechselsteigernde und aufbauende Wirkung zeigt. Diese Wirkungen sind in der Medizin von großem Nutzen. Wir finden eine geheimnisvolle Polarität zwischen Wärme und Chemismus, in der sich das Licht mit seinen sieben Farben als Brücke positioniert. Damit haben wir aber nur drei Ätherqualitäten der Sonne differenziert. Der vierte Äther ist komplexer. Er eröffnet sich naturwissenschaftlich durch das Werk Goethes. Goethe arbeitete bekanntlich auch mit Prisma und Farbspektrum. Er erwacht an der Frage, ob man die Entdeckung Newtons nicht auch umdrehen könne? Wer einen weißen Punkt auf schwarzer Fläche betrachtet, sieht das bekannte Lichtspektrum. Wer mit einem Prisma auf einen schwarzen Punkt vor einem weißen Hintergrund blickt, kann ein anderes Spektrum entdecken. Das Finsternisspektrum ist gegenüber dem Lichtspektrum in sich gespiegelt und zeigt eine neue Farbe der Mitte: das Purpur bzw. Pfirsichblüt. Das große Rätsel von Licht und Finsternis ist, dass wir also zwei komplementäre Spektren haben. Einmal mittig das Grün, einmal das Pfirsichblüt, das jeweils im anderen fehlt. Bekanntlich hat Goethe sein halbes Leben damit zugebracht, dieses Rätsel in Form seines Farbenkreises zu lösen.

Rudolf Steiner versuchte vor 100 Jahren, das lineare Spektrum experimentell im Sinne dieses Farbenkreises zu biegen und damit die beiden Spektren zusammenzubringen. Er hoffte aufzuzeigen, welcher Wirkbereich entstünde, wenn der Chemismus der einen Seite sich mit der Wärme auf der anderen Seite verbände. Was entsteht, wenn man Wärme und Chemismus nicht als Polarität trennt, sondern hin zu einer höheren Mitte steigert und verbindet? Die Antwort: das Leben! Im Farbkreis gesprochen: Das Pfirsichblüt ist das Eintrittstor zum Lebensäther, worin die beiden Enden des Lichtspektrums sich vereinen. Eine experimentelle Erzeugung des Pfirsichblüts konnte kürzlich an der Naturwissenschaftlichen Sektion erreicht werden. Die physikalische Komplementarität der beiden Spektren ist dort heute ein Forschungsschwerpunkt.

Wir finden also bei der Sonne vier unterscheidbare Ätherqualitäten im Kreis. Wir haben eine horizontale Polarität zwischen Wärme und Chemismus und wir haben eine vertikale Polarität zwischen Leben und Licht. Die Sonne bildet ein polares Kreuz aus diesen vier Quellen: Wärme, Licht, Chemismus und Leben. In den Brückevorträgen wird dieses Sonnengeheimnis von Rudolf Steiner angesprochen und mit der Physiologie der Begeisterung im Menschen verbunden. Unser zentraler Stern ist nicht bloß ein energetischer Gasball, welcher elektromagnetische Strahlung in den Kosmos schickt, sondern die Sonne hat vier ätherische Kräftebereiche, welche Ausdruck von moralisch-liebevollen Kräften sind. Das zu würdigen und an die Physik seiner Zeit anzuknüpfen, war, so glaube ich, der große Versuch Rudolf Steiners vor 100 Jahren. Zwischen den Vorträgen von Albert Einstein und Rudolf Steiner lagen nur wenige Monate. Beide sprachen über den Äther. Es wäre wunderbar, wenn wir da wieder anknüpfen und so an der ätherischen Brücke von der Naturwissenschaft zum Moralisch-Liebevollen mitbauen.

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