Die Dreigliederung des Geldes

Zu den Missverständnissen, welche die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens begleiten, gehört die Vorstellung, dass es dabei um einen Akt der gesellschaftlichen Wohlfahrt oder bloß um eine Vereinfachung der Sozialsysteme geht. Dreigliederig gedacht, ist es jedoch das Schenkgeld im Wirtschaftssektor, was der Allgemeinheit zugutekommen sollte.


Der zentrale Punkt des Grundeinkommens liegt darin, dass im modernen Prozess des gemeinsamen Wirtschaftens selbst Schenkgeld entsteht. Dieses Schenkgeld wird aber zurückgehalten, um nur gewissen Eliten zugutezukommen, und erreicht so seine Bestimmung – eine Schenkung, die der Allgemeinheit zusteht – gar nicht erst. Die Idee des Grundeinkommens zielt gerade darauf hin: durch Schenkung alle an dem kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritt teilhaben lassen.

Was meint Rudolf Steiner eigentlich, wenn er festhält: «Die Dreigliederung vollzieht sich in den Tatsachen, die sich aber den Blicken der Menschen entziehen, nur passen sich die Menschen der Verwirklichung nicht an.»

Wir haben heute eine Dreispaltung statt einer Dreigliederung, die im wahrsten Sinne des Wortes global geworden ist.

Als Beispiel nennt er den Produktivitätszuwachs durch technische Verbesserungen in der Eisenindustrie innerhalb Deutschlands zwischen den 1860er- und dem Ende der 1880er-Jahre.1 Das von ihm genannte Beispiel ließe sich vervielfachen und ist im Gange des letzten Jahrhunderts noch viel weiter gediehen. Was steht dahinter? Rudolf Steiner unterscheidet im ‹Nationalökonomischen Kurs› ihrer Funktion nach drei Geldsorten: Kaufgeld, Leihgeld (Unternehmer- oder Investitionsgeld) und Schenkgeld. Kaufgeld ermöglicht den Tausch der Waren mit dem Ziel, diese zu konsumieren. Wenn aber investiert wird, braucht es ein anderes Geld, denn die Produktionsmittel verlieren ihren Warencharakter. Sie werden bekanntlich auch nicht konsumiert. Am obigen Beispiel, wenn immer weniger Arbeiter infolge der verbesserten Herstellungsmöglichkeiten immer mehr Roheisen produzieren können, wird deutlich: Das investierte Geld (Leihgeld) schafft Freiräume. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass mithilfe der Technik weiteres Potenzial frei werden kann. Es ermöglicht in der Zukunft Schenkungen, wenn es nicht reinvestiert wird und so in der Leihgeldsphäre bleibt. Die enormen Summen, die auf den Geldmärkten zirkulieren, sind im Grunde Schenkgeld, das aber von den Entscheidungsbefugten nicht losgelassen, sondern an erster Stelle verwendet wird, um die Ansprüche jener zu befriedigen, die schon Vermögen haben, zum Beispiel die Aktionäre. Dass sich die Schere zwischen reich und arm öffnet, wird oft beklagt, die dahinterliegenden Mechanismen allerdings werden oft zu wenig durchschaut. Das Geld wird zurückgehalten, unter gewissen Kreisen verteilt und dort zur Spekulation mit Devisen, Derivaten und Aktien verwendet, mit dem Ergebnis einer erschreckenden Machtkonzentration in den Händen weniger. Diese Finanzmacht vermag, mittels Lobbyismus, die gewachsenen demokratischen Strukturen auszuhebeln. Viele Gesetze werden nicht gemacht, um der Allgemeinheit zu dienen, sondern um Sonderinteressen zu befriedigen. Darauf muss hier nicht weiter eingegangen werden, es ist zu offensichtlich. Es ginge auch anders, denn weil durch die Entwicklung der Wirtschaftsprozesse Geld frei wird, könnten wir uns ein Grundeinkommen gut leisten, das Geld ist ja da. Es geht also nur darum, Regeln zu schaffen, um die Produktivitätsgewinne (das entstandene Schenkgeld) unter dem Zeichen der Gerechtigkeit zu verteilen und so allen Menschen zugutekommen zu lassen. Insofern ist das Grundeinkommen urdemokratisch, ja, ohne Grundeinkommen können wir die Demokratie in Zukunft vergessen (siehe USA). Nicht zufällig wurde in der Schweiz, einem Land mit basisdemokratischer Tradition, das Grundeinkommen 2016 in einer Volksabstimmung schon von circa 24 Prozent der Bevölkerung angenommen.

Installation OBSESSIONS MAKE MY LIFE WORSE BUT MY WORK BETTER, 2008 (Waagdragerhof Platz, Amsterdam) von Stefan Sagmeister. Foto: Jens Rehr (Bearbeitet)

Dreispaltung

Wir haben heute eine Dreispaltung statt einer Dreigliederung, die im wahrsten Sinne des Wortes global geworden ist, berührt sie doch alle drei Dimensionen unseres Globus. Nicht nur reich (oben) und arm (unten) driften auseinander. Diese Spaltung zeigt sich insbesondere auf dem Wohnungsmarkt, wo Reiche Immobilien als Geldanlage kaufen, während jungen Familien, sollten sie nicht geerbt haben, wenig Chancen bleiben. Wir haben die Spaltung auch zwischen ganzen Staaten als Nord-Süd-Problem (in Europa sehr deutlich). Und nach wie vor haben wir die schon von Steiner angesprochene Dominanz des Westens in wirtschaftlichen Fragen und die andere Handhabung im Osten.2 Letzteres äußert sich mehr in unauffälligen Tatsachen wie zum Beispiel, dass es in China gemäß Artikel 10 der Verfassung kein Privateigentum an Grund und Boden gibt. Schon damit ist die Wirtschaft auf einen anderen Boden gestellt als im Westen. Das gilt in gewisser Weise auch für Russland, wo vor allem auf dem Land der Gedanke der Allmende, das heißt der selbstbestimmten Gemeinschaftskultur (Óbtschtschina), nach den Jahren der Zwangskollektivierung wieder stärker präsent ist.3

In dem hier geschilderten Zusammenhang muss die Dreigliederung nicht ‹eingeführt›, sie muss erkannt werden. Wir müssen uns ihr anpassen. Das heißt, wir sollten den Blick auf das Geld richten und die Metamorphosen, die es durchmacht, mit Bewusstsein verfolgen. Nur mit einem solchen Verständnis wird die Menschheit die Krise, in der sie steckt, überwinden können.

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Footnotes

  1. Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen. Vortrag vom 21.4.1919, GA 192, Seite 27.
  2. Innere Entwicklungsimpulse der Menschheit. Vortrag vom 14.10.1916, GA 171, Seite 250.
  3. Nachzulesen in den Untersuchungen zu den russisch-nachsowjetischen Gemeinschaftsstrukturen in den Veröffentlichungen von Kai Ehlers.

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