Licht ist auch ein Abgrund

Abgründe stellen wir uns für gewöhnlich als Finsternis vor, als Orte, wo sich die Schatten versammelt haben und die Unendlichkeit des Lichtes als Umkehrung erscheint. Schwarze Löcher.


Sich ihnen zu stellen, braucht Mut. Sie zu erhellen, gehört zu den Aufgaben des Menschen. Die Schwierigkeiten, Nöte und Dunkelheiten dieser Welt und der eigenen Seele zu sehen, auch auszuhalten, hat mit dem Blick in den Abgrund zu tun. Es gibt Menschen, die sagen, sie können nicht zu nah an den Abgrund treten, sie halten das nicht aus.

Die Kapelle Notre-Dame-de-Haut, Ronchamp, Frankreich. Foto: Gilda Bartel

Aber es gibt auch die andere Bewegung: an einem Abgrund aus Licht zu stehen und genauso Angst zu haben, dort hineinzuspringen – ins Vertrauen, in die Gewissheit, dass ich gemeint, gesehen, geliebt bin, dass ich gestalten kann als Geschöpf und Schöpfende, dass ich die Freiheit habe, zu entscheiden, wie ich auf Umstände blicken will, dass dann mein Handeln eine konkrete geistreale Wirksamkeit hat, dass ich nicht nur das Nebenprodukt irgendeiner Schöpfung bin, für die ich keine Relevanz habe, sondern dass es in mir selbst auf mich ankommt. Nelson Mandela formulierte es einmal so: «Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind. Unsere tiefgreifendste Angst ist, über das Messbare hinaus kraftvoll zu sein. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, die uns am meisten Angst macht.»

Der Mut zum Sprung ins Licht bedeutet dann auch das Loslassen der reinen Vorstellung, sowohl meiner Ideale als auch meiner Ängste, und den Eintritt in ein ‹tatdurchlichtetes› Leben.

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