Mit dem zweiten Band der ‹Würde des kleinen Kindes› erweitert sich der Blick des Erwachsenen und Pädagogen auf die ersten drei Lebensjahre.
Gerade in Zeiten, die durch äußere und innere Krisen gekennzeichnet sind, ist es wichtig, sich auf das Wesentliche insbesondere der frühen Kindheit zu besinnen. In keinem anderen Lebensalter ist das Kind so verletzlich und ausgeliefert wie in diesem frühesten Stadium, da es noch nicht für sich selbst eintreten kann.
Der Beitrag von Reinald Eichholz zur Würde des Kindes verdeutlicht dies und ist den anderen Beiträgen vorangesetzt.
Michaela Glöckler zeichnet den Entwicklungsweg des sich inkarnierenden Menschenwesens, beginnend mit den signifikantesten Abschnitten der embryonalen Entwicklung. Der geistige Hintergrund der Menschwerdung über die vorgeburtliche Zeit erweitert den Blick auf das werdende Kind und vermittelt die wesentlichen Gesten der Embryonalentwicklung, die so wichtig für die Zeit nach der Geburt sind. Diese Gesten aufzugreifen, sodass sie sich im Betreuungskontext in eine freudige und warme Umgebung verwandeln und das Kind sich gemäß seinem Rhythmus und seiner ureigenen Impulse gesund entwickeln kann, stellt eine anspruchsvolle Aufgabe an den Erziehenden. Fragen wie ‹Wo kommst du her?› ‹Wo willst du hin?› ‹Wie kann ich dir auf deinem Weg eine Hilfe sein?› drücken die Haltung des Erziehenden aus, um das Kind auf seinem Weg zu begleiten. Somit ist im Buch der Fokus nicht nur auf das Kind gerichtet, sondern der Erwachsene in aller Freiheit mitgenommen, sich mit sich auseinanderzusetzten und seine Handlungen zu reflektieren.
Der Weg des Kindes zum ‹Ich› führt über die Selbstbestimmung und die Beziehungsfähigkeit. Zwischen diesen beiden Polaritäten findet die Entwicklung statt und das Kind braucht den Erwachsenen hierfür als erste Umgebung und Orientierung. Die Beiträge von Claudia Grah-Wittich verdeutlichen das mit anschaulichen Grafiken und herrlichen Bildbeiträgen, die sehr gezielt ihr Anliegen darstellen.
Welchen Einfluss Denken, Fühlen und Wollen des Erwachsenen auf die frühkindliche Entwicklung nehmen, wird in weiteren Kapiteln angesprochen und behandelt. Dabei wecken diese Beiträge auch Lust und Freude, sich selbst in der täglichen Arbeit mit dem kleinen Kind zu überprüfen, sich liebevoll und mit Humor an die eigene Nase zu fassen. Florian Oswald, Birgit Krohmer und Susan Weber beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven Gesinnung und Wirkung des Erwachsenen im Umgang mit kleinen Kindern.
Das Buch gibt ein abgerundetes Bild für eine würdevolle und achtsame Begleitung des Kindes in diesen ersten Lebensjahren und vermittelt gleichwohl eine Ahnung von diesem großen Geheimnis der Menschwerdung und vom Glück, Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten zu dürfen.
Michaela Glöckler, Claudia Grah-Wittich (Hg.), Die Würde des kleinen Kindes 2, Verlag am Goetheanum, Dornach 2020