Kaum dass Faust erwacht, fragt er, ruft er nach Helena, dem Urbild des Schönen. Anstatt Mephisto zu folgen und nach dem Herbeizaubern von Helena nun mit weiteren Kunststücken vor dem Kaiser seine Macht zu steigern, gerät er in den Bann des Schönen und lässt alle Gewalt fahren.
Es ist die Sehnsucht nach dem Schönen, die ihn in die Unterwelt, in die Einweihung führt. Was als Sehnsucht nach Erkenntnis begann, wird im Lauf der Geschichte zur Sehnsucht nach dem Schönen. François Cheng eröffnet seine Meditationen über die Schönheit mit einer interessanten Frage: Wenn Wahrheit, Güte und Schönheit die drei großen Tugenden sind, kann es dann eine Welt geben, in der sie nicht existieren? Eine Welt, in der es nichts Wahres gibt, scheine sinnlos, denn in ihr könne sich kein tragfähiger Gedanke bilden. Auch eine Welt ohne Güte lasse sich nicht vorstellen, denn wie solle nur das geringste Vertrauen und damit Zukunft entstehen, wenn es überhaupt nichts Gutes gibt. Wohl aber sei eine Welt ohne Schönheit möglich. Die Natur, so folgert Cheng, habe die ganze Welt mit Schönheit angefüllt, vom Wolkenspiel am Himmel bis zur menschlichen Stimme, obwohl das Schöne nicht nötig sei. Zum Schönen gehöre also, dass es da ist, ohne da sein zu müssen, gehöre also die Freiheit.