Am 29. April zeigten Sprachgestalter und Eurythmistinnen aus dem Umkreis des Goetheanum den Reichtum ihrer künstlerischen Arbeit.
Das von Ute Medebach und Andrea Hitsch impulsierte Kurzfestival anthroposophischer Künste (‹Goetheanum› Nr. 17/2018) gab einen umfassenden Einblick in die Vielfalt anthroposophischer Dichtung und machte deutlich, wie viele Menschen im Umkreis des Goetheanum treu und innig Sprachgestaltung und Eurythmie pflegen. Jeder brachte ein, was er erarbeitet und wie er sich Sprache beziehungsweise Eurythmie zu eigen gemacht hat. Dabei traten die Künstlerinnen und Künstler hinter das jeweilige Werk zurück und in den Dienst der Künste.
Die Sprachgestalter führten oft kurz in Vita der Dichter oder Merkmale der rezitierten Dichtung ein. Bei aller Verschiedenheit gab es immer wieder ein Suchen, ein Erleben durch Schmerz oder Schwierigkeiten hindurch zum Licht, zur Liebe, zum Wahren. Dabei gab es neben Größen wie Christian Morgenstern oder Albert Steffen mit Souveränität im Umgang mit dichterischen Formen Überraschungen und Entdeckungen: In einem Jugendgedicht Sergej Prokofieffs heißt es «[…] Und ich trat aus dem Sarg. […] / Der Todesengel kam, […] / Und taufte mich, gab mir den Namen – ‹Ich›.» (Übersetzung Christoph Jeggle) und in einem Sendschreiben an eine Rose schreibt er: «[…] auf weißer Schneedecke bist du ein Stern, der brennt […]» (Übersetzung Julia Selg). Rudolf Treichler erfüllte das Motiv ‹See Genezareth› eigenständig mit inneren Erlebnissen. Neben Dichtung und Prosa gab es auch Humor – zuweilen mit ernstem Hintergrund wie bei Michael Ende, etwa mit der Aufforderung, Liebe zu geben, damit wir Menschen sichtbar bleiben.
Die Sprachgestalter traten als Einzelsprecher auf und ließen vor allem den Gedankengehalt und den Klangleib erleben. Die Eurythmisten arbeiteten gemeinsam mit den Umkreiskräften und machten weitere Dimensionen durch Bewegung, Kostüme, Beleuchtung sichtbar. Sie ergänzten das Programm mit Darstellungen von Kompositionen. Mit Ernsthaftigkeit, innerer Freude und großer Wahrhaftigkeit machten sie die Lebendigkeit anthroposophischer Dichtung erlebbar.
Manche Dichtungen verbanden sich zu einem ‹österlichen› roten Faden: dem Verhältnis des Menschen zur Erde, in Liebe und letztlich im Streben zum Wesen des Christus.
Foto: Christian Morgenstern in 1913