Bericht zu einer pädagogischen Initiative in Jerusalem. Zwischen dem Grab von Lazarus und der Beton-Trennmauer, die errichtet wurde, um normale menschliche Beziehungen zu begraben, versucht eine kleine Gemeinschaft zu leben und zu überleben.
In El-Azariya (Bethanien), im Osten von Jerusalem, gibt es eine pädagogische Initiative, deren Ziel es ist, die Menschlichkeit zu bewahren in einer Umwelt von Gewalt und Unterdrückung. Manar und Milad − sie palästinensische Christin und er Enkel eines Überlebenden des armenischen Holocaust − begannen schon vor einigen Jahren mit Kindergartengruppen und Schulklassen mit dem Ziel der Verwirklichung einer gewaltfreien, das individuelle Kind fördernden künstlerischen Erziehung. Das Projekt entwickelte sich − mit Kindern, viel Idealismus und wenig Mitteln. Vor zwei Jahren machte Manar dank einer deutschen Besucherin Bekanntschaft mit der Waldorf-Pädagogik. Seither ist sie immer stärker überzeugt, dass das ihr Weg ist! Sie möchte ihre erzieherischen und sozialen Ideale durch das anthroposophische Menschen- und Weltverständnis verwirklichen. Sie studiert nun schon ein Jahr im westlichen Jerusalem Steiner-Erziehung an einer Pädagogischen Hochschule − in Hebräisch, mit jüdisch-israelischen Kollegen, dank einer Studienhilfe des Schweizer Vereins Acacia, und muss dafür jedes Mal die israelischen Miltärkontrollposten passieren. Sie hofft, ihr Studium auch in den kommenden Jahren weiterführen zu können. Sie möchte den Kindern von El-Azariya eine gesunde Entwicklung durch Waldorf-Pädagogik und vielen von ihnen auch Hilfe zur Überwindung ihrer Traumas ermöglichen. Vor wenigen Tagen besuchte ich den Ort, und ich sah das Lazarus-Grab und die Trennmauer − und zwischen den beiden diese kleine nach Leben strebende Menschenoase! Das Bild will mich nicht loslassen: Wie kann ich, wie können wir dem Leben hier zum Auftrieb verhelfen gegenüber den so gegenwärtigen überstarken Todes- und Diskriminierungskräften?
Foto: Stefanie Allon