Wir haben gelernt, objektiv zu denken. Die Welt wurde zum Objekt, dem wir gegenüberstehen. Unsere eigenen Wünsche, Gefühle, Ängste und Hoffnungen sollten beiseitegelassen werden.
Somit lenkte sich der Blick auf die materielle Welt und ihre mechanischen Gesetze wurden immer tiefer und feiner erforscht, bis zur Atomphysik und Quantenmechanik. Diese neue Denkfähigkeit hat ihren Erfolg durch die Wirksamkeit ihrer praktischen Anwendungen in der gesamten technologischen und industriellen Welt, die heute unsere Zivilisation ausmacht, eklatant bewiesen.
Während dieser Entwicklung stellte sich aber die immer drängendere Frage: Wer ist der Mensch, dieses Wesen, durch das all dies geschehen ist? Diese Technologien, die so mächtig geworden sind, wem sollen sie dienen, wenn nicht den eigentlichen tiefen Wünschen und Idealen des Menschen? Die Frage, was der Mensch ist, gleicht der Frage: Was will der Mensch? Das, was als Subjektivität beiseitegelegt wurde, muss jetzt Objekt werden. Der menschliche Wille will durch Selbsterkenntnis zur objektiven Tatsache werden.
Wille lässt sich nicht wie konturierte Objekte erfassen – er ist reine Aktivität: Brennprozess, geistige Tätigkeit. Eine neue Erkenntnis will heute entstehen, aus den Notwendigkeiten der Zeit. Denn die technische Macht, die der Mensch sich eigen gemacht hat, will wissen, wem sie dienen soll. Sie fragt nach einem ‹Herrn›. Die Erforschung des Menschenwesens durch Willenswissenschaft wird nicht die gleiche Effizienz aufweisen können wie die der Mechanik: Ihre Wirksamkeit liegt nicht in der Quantität, sondern in der Willensqualität. Quantitäten kann man leicht messen. Qualitäten müssen mit anderen Mitteln wahrgenommen werden. Dennoch wird diese Qualitätswissenschaft des Willens – womit eine radikale Umkehrung der Objektivität stattfindet – über die Zukunft der Menschlichkeit entscheiden.
Titelbild: Adrien Jutard, Illustrationsreihe 7, G3–4/2020