Wie so vieles heute ist die Corona-Erkankung widersprüchlich. Es ist ‹nur› eine Grippe, die an den meisten Menschen vorübergeht, dafür trifft sie die ganze Menschheit, und da vor allem die Älteren, Schwächeren.
Wo bei der Klimakrise kaum Trippelschritte möglich scheinen, da gelingt angesichts des Virus ein Sprung: die Veränderung der Gewohnheiten, kein Händeschütteln, Arbeit zu Hause, Verzicht auf unnötige Reisen. «Es ist die Angst, um ihretwillen tun wir viel», sagt schulterzuckend Isabel Berg. Sie betreibt den Bioladen, in dem halb Dornach einkauft. Noch ein Widerspruch: Die Krankheit bedroht nicht nur geschwächte Organismen, sondern auch geschwächte Volkswirtschaften – Italien, Griechenland. Die Krankheit verdüstert nicht nur, sie wirft auch ein Licht, indem sie zeigt, dass unsere Gesellschaften fähig sind, ihre Gewohnheiten und Routinen zu ändern. «Jede Krankheit führt zu neuen Gesundheiten», betonte Georg Glöckler in seinen menschenkundlichen Vorträgen. Während eine persönliche Krankheit den Weg zu persönlicher neuer Gesundheit bahnt, öffnet eine Pandemie, so ist zu vermuten, die Tür zu einer menschheitlichen neuen Gesundheit. Es ist nur ein paar Wochen her, da haben wir im ‹Goetheanum› das Buch von Stefan Ruf zum Klimawandel besprochen. Sein Credo darin: Die Menschheit muss in die Therapie, um zu einem atmosphärischen Bewusstsein aufzuwachen. Wir haben noch nicht den Höhepunkt der Corona-Erkrankung erreicht, also reicht der Blick nicht weit. Aber für diese Frage ist es wohl auch jetzt, am Fuß der Krise, der richtige Zeitpunkt: «Zu welcher neuen Gesundheit können wir mit und durch diese Krankheit gelangen – nicht als einzelner Mensch, sondern als Menschheit?».
Titelbild: Ella Lapointe, Icon ‹Daucus Carota›, Vektorisierte Tintenzeichnungen, Februar 2019.