Es war vor einigen Jahren an einer Jugendtagung an der Mainzer Waldorfschule. Der Jugendpädagoge Henning Koehler hielt einen Vortrag. Als er eigentlich zu Ende war, blieben die Schülerinnen und Schüler sitzen. Er solle weitermachen, ließ ihn eine Schülerin verstehen.
Diese Forderung wurde ganz ohne Verve und Ambition vorgetragen, es war vielmehr eine freundliche Bitte. Im späteren Gespräch über diesen ‹Zugabe›-Ruf sagte der Waldorfpädagoge Werner Rauer, da äußere sich bei Jugendlichen nicht mehr die Seele, sondern es sei das Ich – ohne Emphase und Emotion, ohne Geltungswillen melde sich das Zentrum der Persönlichkeit.
Das ist vermutlich tatsächlich die neue Kategorie des Jugendprotestes. ‹Die jungen Milden›, so hatte der ‹Spiegel› zur Jahrhundertwende vorausblickend die Artikulation der nächsten Generation überschrieben. Tatsächlich, wenn Greta Thunberg im Interview sagt, es liege in ihrer moralischen Verantwortung, so zu handeln, und dafür weder Effekt noch Geltung will, dann gibt das Werner Rauers These recht. Es könnte sein, dass sich das Ich zu Wort meldet. Das geschieht stiller, als wenn die Seele sich erhebt und protestiert, und es geschieht glaubwürdiger und nachhaltiger. Es ist auf eigenartige Weise persönlich und unpersönlich zugleich. Weil heute die Grenzen zwischen den Generationen verschwimmen, sich aufzulösen begonnen haben, ist dieses Vermögen, sich aus seinem Persönlichkeitskern einzubringen, nicht nur den Heranwachsenden vorbehalten, sondern als Zug der Zeit allen Lebensaltern möglich. Das stimmt in solch verwirrender Zeit hoffnungsvoll.